Symbolfoto Baugemeinschaft

Eimsbüttel, Schanze, Ottensen oder Co sollten es natürlich werden, als wir damals von Tübingen nach Hamburg zogen. Verschreckt von einer nicht (gesichert) asbestfreien Nachtspeicherheizung wurde es dann doch nicht der Eppendorfer Weg, sondern in einer Last-Minute-Aktion Barmbek-Nord. Über die Jahre lernten wir den „verpönten“ Stadtteil kennen und lieben. In einem typischen „Fritz Schuhmacher“ Backstein Bau wurden wir in einer 2,5 Zimmer Wohnung in der Nähe des Stadtparks heimisch. Mit wachsendem Platzbedarf bei dem Untermieter des 1/2 Zimmers entstand aber auch der Wunsch nach einer größeren Wohnung. In einem Stadtteil, in dem es faktisch keine 4-Zimmer Wohnungen als „Altbau“ gibt, trieb uns von da an die Frage um: „Woher nehmen wenn nicht stehlen?“

Woher nehmen wenn nicht stehlen?

Die Preise für einen Neubau auf dem freien Markt sind – nicht nur – in Hamburg jenseits von gut und böse. Günstig und sanierungsbedürftig kaufen um dann in Eigenleistung abends und am Wochenende eine Kernsanierung durchzuführen erschien uns ebenfalls wenig attraktiv. Die Flucht aufs Land vertrug sich schlecht mit zwei Arbeitsplätzen in der Stadt (we are talking pre-corona here…) und der Liebe für schöne Cafés. Alle Möglichkeiten ausgeschöpft? Nein – als Licht am Ende des Tunnels erschien uns das Konzept „Baugemeinschaft“.

Baugemeinschaft?

Kurz gesagt: Eine Baugemeinschaft ermöglicht es in Hamburg als Individuum zu niedrigeren Kosten in Gemeinschaft ein Wohngebäude nach den Vorstellungen der Gruppe zu erreichten. Und da gibt es keinen Haken? Aber klar – man investiert Zeit, Geduld und Nerven. Lohnt es sich trotzdem? Wir finden: Auf jeden Fall!

Aber nun nochmal langsam:

In Hamburg setzt sich seit einiger Zeit die Erkenntnis und politsicher Wille durch, dass man – zumeist – städtische Grundstücke nicht gänzlich dem freien Markt zur Verfügung stellen möchte. Stattdessen sollen diese mit guten Konzepten bebaut und dann auch von den Bauherren:innen bewohnt werden. So werden heute viele Grundstücke nur mit der Auflage verkauft, dass ein Teil der Wohnungen – neben geförderten Wohnungsbau – an Baugemeinschaften vergeben wird.

Warum ist es preiswerter?

Dass der Bau am Ende wirklich preiswerter ist, kann einem natürlich niemand garantieren. Ein paar Faktoren tragen aber dazu bei, dass es sehr wahrscheinlich ist: (1) Die Grundstücke werden an Baugemeinschaften oft zu günstigeren Konditionen verkauft als an private Investoren. (2) Die Beauftragung der Gewerke erfolgt in der Regel direkt, d.h. es gibt hier keine Marge für „Projektentwickler:innnen“. (3) Da man/frau in der Regel zuerst das Grundstück kauft und danach erst die Bebauung beginnt, wird die Grunderwerbssteuer nur auf den Grundstückspreis fällig und nicht wie bei einer fertigen Wohnung auf den kompletten Wohnungspreis. In Zahlen gesprochen ist die gängige Annahme, dass man ca. 20% sparen kann. In unserem Fall entsprach der Preis für eine 4-Zimmer Wohnung ungefähr dem Preis einer 2-Zimmer Wohnung auf dem freien Markt.

Neben dem schnöden Mammon braucht es aber für einen Baugemeinschaft einen höheren zeitlichen Einsatz und Geduld als dies beim Kauf einer fertigen Wohnung der Fall wäre. In unserem Fall vergingen von den ersten Recherchen in Richtung Baugemeinschaft bis zum Einzug fünf Jahre, was aber durchaus noch als flott gelten kann. Monatliche Versammlungen mit der Gruppe und Aktivitäten darüber erfordern auch Zeit, Resilienz-Fähigkeit, Toleranz und hohe Frustrationstoleranz für gruppendynamische Prozesse.

Darüber hinaus trägt die Gruppe und damit auch das Individuum in der Regel auch das komplette wirtschaftliche Risiko des Baus.

Formen der Baugemeinschaft

Unter dem Motto „Baugemeinschaft“ sind recht unterschiedliche Konstellationen möglich. Im wesentlichen habe ich zwei Modelle kennengelernt: (1) Baugemeinschaft im Eigentum, bei der jedes Mitglied der Baugruppe am Ende auch Eigentümer einer Wohnung oder eines Hauses wird und (2) Baugemeinschaft als Genossenschaft, bei dem jedes Mitglied eine einmalige Einlage zahlt und danach eine niedrige monatliche Miete.

Insbesondere wenn man in eine der Hamburger Fördergruppen fällt (Einkommensrechner) ist das Bauen in einer Genossenschaft sehr attraktiv (Übersicht über alle Förderungen).

Ist das nicht alles viel zu kompliziert?

So attraktiv das Bauen in der Gemeinschaft ist, macht es natürlich auch einige Dinge komplizierter. In der Regel werden die Baugemeinschaften deswegen von einer Projektplanungsgesellschaft betreut – teilweise ist dies sogar vorgeschrieben. In Hamburg sind die Lawaetz Stiftung und Conplan recht umtriebig.

Wege zu „deiner“ Baugemeinschaft

Die schlechte Nachricht: Den garantierten gradlinigen Weg zu einer Baugemeinschaft und zum eigenen Bauprojekt gibt es nicht.
Die gute Nachricht: Mit ein wenig Geduld und gar nicht soviel Zeiteinsatz klappt es eigentlich fast immer.
Wichtigster Tipp: Einfach mal anfangen und sich für Newsletter anmelden, Baugemeinschaften per E-Mail anschreiben, sich auf Nachrücker:innenlisten setzen lassen, vielleicht auch erst einmal die nicht ganz perfekte „Wohnung“ zuteilen lassen und dann später „aufrücken“….

Und so könnte es gehen:

Wichtigster Anlaufpunkt rund um das Thema sind die Seiten der Agentur für Baugemeinschaften. In der Kontaktbörse kann man/frau recht niedrigschwellig eine Gesuch erstellen und gucken, ob es suchende Gemeinschaften gibt. Auch den Newsletter (rechts auf der Seite) zu abonnieren schadet sicherlich nicht. Dort finden sich auch die Ankündigungen für neue Grundstücksauschreibungen und Informationsveranstaltungen.

Auch die Projektplanungsgesellschaften (siehe oben) sind ein gute Adresse. Entweder direkt auf der Webseite schauen oder auch einmal anschreiben, ob es aktuelle Projekt mit Bedarf an neuen Mitglieder gibt.

Wie hat’s bei euch geklappt?

Wir hörten von den Bebauungsplänen für das Pergolenviertel und suchten darauf existierende Baugemeinschaften, die sich dort bewerben wollten. Dafür waren wir aber etwas spät dran und landeten nur auf der Nachrücker:innenliste. Eine halbes Jahr später wurde dann aber an diese Liste eine Email der Lawaetz Stiftung weitergeleitet, dass für ein anderes Projekt noch Mitglieder gesucht würden. Dort bekamen wir prompt eine Zusage und zogen drei Jahre später ein…

Disclaimer

Dieser Artikel ist völlig subjektiv, unvollständig und sicherlich fehlerbehaftet. Über ergänzende Infos und Fehlerkorrekturen freue ich mich! Ansonsten hoffe ich, dass er einen kleinen Einstieg in das Feld „Baugemeinschaften in Hamburg“ bietet und ein wenig strukturiert meine Antwort auf die Frage beim Rotwein zusammenfasst: „Wie seid ihr eigentlich an diese coole Wohnung gekommen?“

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